Mina auf Drachensuche

„Der fürchterliche Drache Eisenzahn flog mit seinen von Dornen besetzten Schwingen über die Stadt. Sein Fauchen durchbrach die Stille der Nacht. Seine Feuerbälle erhellten die Dunkelheit. Prinzessin Rosalind war der Grund, warum er seine Höhle in den Bergen nach 100 Jahren wieder verlassen hatte.“

Mina klappte das Buch zu. Sie schaute nachdenklich aus dem Fenster. Da wurde die Maus von einem fröhlichen Rufen aus ihren Gedanken gerissen: „Haalloo Mina! Na, was machen wir heute?“ Das war Moritz, der neugierig seinen Eichhörnchenkopf zur Tür hineinsteckte. Unsere Maus schaute ihn einen Moment mit zusammengekniffenen Augen an und sagte dann entschlossen: „Wir suchen einen Drachen!“

Als Erstes fragten sie Opa Igel, wo sich solch ein Wunderwesen verstecken könnte. Der alte Herr hatte schon viel gesehen und gehört. „Man erzählt sich, dass ein Drache nahe dem magischen Felsen am Rande unserer Blumenwiese gesehen worden ist. Aber das ist schon sehr lange her“, erinnerte er sich.

„Wie sieht er aus? Was hat er getan?“, fragte Mina aufgeregt.

„Nun, seine Haut ist so schwarz wie die tiefste Nacht. Auf ihr sieht man das Feuer, welches im Inneren des Tieres lodert, als orangene Streifen. Das Maul ist groß und breit. Dem, welchem er begegnet war, hatte der Drache einen riesigen Schrecken eingejagt und er soll Zeit seines Lebens vom Pech verfolgt gewesen sein.“

„Das sind doch nur alte Geschichten. Ich will die Wahrheit herausfinden und habe so viele Fragen!“, rief Mina aufgeregt. Das Abenteuer sollte endlich beginnen!

Ehe es sich der Eichhörnchenjunge versehen hatte, waren sie schon auf dem Weg zu seiner Tante Marie. „Was wollen wir bei Tantchen?“, fragte Moritz, der nun gar nichts mehr verstand. „Wir brauchen ein besonderes Kleid, schließlich soll aus dir eine wunderhübsche Prinzessin werden. Wie sonst sollen wir einen Drachen, der sich ewig nicht hat blicken lassen, aus seinem Schlaf wecken?“, fragte Mina schnell. „Ich will aber keine Prinzessin spielen!“, schnappte Moritz. „Nur du kommst mit deinem seidig roten Fell dafür in Frage. Hab dich nicht so! Du darfst immerhin einem echten Drachen als Erster in die Augen sehen!“

Marie Eichhorn schüttelte, nachdem die Zwei ihr das Vorhaben geschildert hatten, nur mit dem Kopf, gab das Kleid aber gerne. Jetzt hatten sie das, was sie brauchten. Nun mussten sie nur noch den Drachen finden.

Die Blumenwiese erschien den Abenteurern heute riesig. Nichts als Blumen und Gräser. Der Wald war ja schon fast erreicht. Vielleicht hatte sich Opa Igel doch getäuscht…

Die Grenze zum Wald wollten die Zwei nicht unbedingt überschreiten, da dort einige Gefahren lauerten. Eine streckte seine schwarze Nase schon in die Luft: Danny Dachs hatte den Geruch von unseren zwei Freunden in der Nase und sein Magen grummelte schon seit Tagen. Schnell lief er durch das hohe Gras. „Lauf!“, rief Mina, die den Dachs hatte kommen sehen, Moritz zu.

Sie liefen so schnell wie der Wind. Der Dachs ließ trotzdem nicht von ihnen ab. Bald war ein großer Steinhaufen in Sicht. Über die steilen Kanten konnten die beiden nicht so schnell rennen. Da hatte Mina die rettende Idee: „Flitze so hoch du kannst und wir verstecken uns in einer Spalte!“ Das Eichhörnchen tat es und Mina folgte ihm in die Dunkelheit. Danny Dachs grummelte wütend: Er musste seinen Beutezug aufgeben.

Mina und Moritz atmeten erleichtert aus. Als der Eichhörnchenjunge schon wieder in die Freiheit wollte, hielt Mina ihn am Arm fest.

„Sind wir nicht in der Felshöhle, von der Opa Igel gesprochen hat?“ Moritz machte große Augen und blickte auf das tiefe Schwarz vor ihnen.

„Ich gehe doch lieber wieder nach Hause. Eine Verfolgungsjagd am Tag reicht mir“, sagte er und wurde plötzlich ganz starr vor Angst. Das Geräusch eines Zischens hallte von den Steinen wider. „Das muss er sein! Los, zieh das Kleid an und sing ein liebreizendes Lied – sei eine schöne Prinzessin. Jetzt müssen wir es wagen!“, rief die Maus aufgeregt.

Die beiden Abenteurer mussten gar nicht lange warten: „♫♪ Ich gihiing über die Soommerwiese und suuuchte meinen Priinzen♫♪“, sang Moritz zum zweiten Mal und wedelte etwas mit seinem Röcklein. Dann brachte ein mächtiges Brüllen ihre Ohren zum Dröhnen: „Was ist das für ein fürchterlicher Lärm? Wer wagt es, meine Ruhe zu stören?“

Nicht nur die Stimme des Feuerspeiers war erschreckend, auch sein riesiger Schatten auf der Steinwand ließ die Knie weich werden. „Wenigstens hat es nur einen Kopf“, flüsterte Mina Moritz zu. Die mutige Maus wusste allerdings nicht, ob Moritz nickte oder einfach nur so heftig zitterte.

Die Schritte aus dem Inneren kamen näher, wurden aber zur Verwunderung von Mina und Moritz leiser anstatt lauter. Als sie schon dachten, alles wäre nur ein Schreckenstraum gewesen, kam das Ungetüm wie aus dem Nichts ……

„Ein Feuersalamander!“, riefen Mina und Moritz gleichzeitig. „Wen habt ihr erwartet? Den bösen Wolf ?“, grummelte der alte Fritz und lehnte sich erschöpft an einen Stein.

„Nein, einen Drachen! Einen feuerspeienden, supergefährlichen Drachen wie aus den Märchen“, sagte unsere Maus enttäuscht. Da fing Fritz Feuersalamander so heftig zu lachen an, dass er seinen Bauch festhalten musste.

Er verstummte und schaute die Zwei mit müdem Blick an: „Na wenigstens verdanke ich dieser irrwitzigen Idee, dass mich mal wieder jemand besucht. Es ist ziemlich einsam hier. Die Tiere des Waldes und der Wiese vermeiden eine Begegnung mit mir. Sie glauben, es brächte Unglück.“ Mina nickte wissend. „Das hat uns Opa Igel auch erzählt.“

„Nun, da wir schonmal da sind, können wir auch gemeinsam den Proviant verputzen“, befand Mina. Wie auf Kommando grummelte der Bauch des Eichhörnchens laut. „Oh, das nenne ich mal einen Drachenhunger“, schmunzelte der alte Feuersalamander.

Als sie gemeinsam in der Runde saßen und vor sich hin schmatzen, war Mina wieder in Gedanken. „Herr Fritz, wir wollten den Drachen eigentlich fragen, warum es ihm gerade die Prinzessinnen angetan haben. Wissen Sie vielleicht eine Antwort darauf?“ Der alte Feuersalamander kratze sich an seinem kahlen Kopf:

„Vielleicht wollen sie in ihrer kalten Höhle nicht alleine sein und holen sich mit einer Prinzessin eine nette Gesellschaft zu sich.“

Mina überlegte kurz: „Ja, das ist eine gute Antwort. Wir sind zwar trotz Moritz‘ tollem Gesang keine Prinzessinnen, aber wir werden sie von nun an immer Mal besuchen kommen und den anderen erzählen, dass sie nicht unbedingt allen alten Märchen glauben müssen.“ Das Gesicht des Feuersalamanders erhellte sich kurz. „Das will ich aber auch hoffen“, brummte er.