Mina Maus und das Spinnenweben-Gespenst

Eine kühle Brise kam auf. Der Herbstwind fand wohl, dass sich unsere kleine Maus zu lange vor ihm versteckt hatte. Er strich neckisch über ihr Fell und ließ ein paar der bunten Blätter in einem wilden Tanz um sie herumwirbeln. Mina schüttelte sich und vergrub das Näschen noch etwas tiefer in ihren geringelten Strickschal.

Mina bibberte aber nicht nur wegen der Kälte… Im silbrigen Mondlicht warfen die weit über ihr hinaufragenden Grashalme schaurige Schatten auf den Weg. „Es sind nur Schatten und keine superlangen Spinnenbeine. Es gibt keine Riesenspinnen! Nur in Gruselgeschichten. Die mag ich sowieso nicht und außerdem sind sie nur ausgedacht!“, sprach sich die kleine Maus Mut zu, damit sie sich nicht zu sehr fürchtete.

Trotzdem zuckten ihre Ohren bei jedem kleinen Geräusch nervös hin und her. Oh, nein! Da hörte sie auch schon etwas ganz Komisches! Neben ihr heul-summte es! Mina drehte den Kopf ganz langsam zur Seite, traute sich jedoch keinen Schritt weiter. Ängstlich blickte sie in die Finsternis. Die war gar nicht mehr so stockduster. Etwas Weißes schwebte darin. Mina schluckte schwer. Sie konnte das Gespenst – „Fliegenpilz und Bockshornklee, lass es bitte kein Gespenst sein!“, flüsterte das Mäuschen mit zittriger Stimme – nicht nur sehen, weil in dem ganzen Schwarz besonders weiß war, sondern auch, weil es von innen heraus leuchtete!

Jetzt kamen das Hoffentlich-Nicht-Gespenst auch noch geradewegs auf sie zu! Das Heul-Summen wurde immer lauter. Und anstatt sanft zu scheinen, blinkte es! „AHHH! Hilfe! Zu Hilfe!“, schrie unsere kleine Maus.

„Ja! Genau! Zu Hilfe! Mina! Zum Glück bist du da!“ Überrascht klappte die kleine Maus den Mund wieder zu. Woher kannte das Hoffentlich-Nicht-Gespenst ihren Namen? Es kam näher… und näher. Bis Mina erkannte, wer sich da unter klebrigen Spinnenwebenfäden versteckt hatte: Gilbert Glühwürmchen! „Gilbert! Du hast mich vielleicht erschreckt! Warum fliegst du mit Spinnenweben auf dem Kopf durch die Nacht?“, schimpfte Mina. Das Glühwürmchen heult-summte wieder. „Das mache ich doch nicht mit Absicht! Der gemeine Herbstwind ist Schuld! Er hat mir kräftig unter die Flügel gepustet. Im Zickzack bin ich geflogen! Nach oben links, zweieinhalb Drehungen zur Seite und im Zwirbelflug ging es wieder hinab!“

Gilberts Po glühte vor Ärger kräftig auf. „Mitten in einem Spinnennetz bin ich dann hängen geblieben. Ich habe an den Fäden natürlich kräftig gezogen und gezerrt. Doch anstatt wieder frei zu kommen, habe ich das ganze Netz nur um mich herum gewickelt!“ Verzweifelt versuchte das Glühwürmchen seine Flügel noch etwas weiter aufzuspannen. Es ging nicht. Gilbert ließ das Köpfchen unter dem Spinnennetz hängen. „Ich bin immer noch gefangen! Bitte hilf mir, liebe Mina!“, bat er die kleine Maus.

Mina atmete einmal tief ein. Nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte, tat ihr Gilbert schon sehr leid. Mit einem aufmunternden Lächeln versprach sie ihm: „Natürlich helfe ich dir!“ Das Glühwürmchen setzte sogleich zu einem wackeligen Landeanflug an. „Oh, danke! Das ist nett von diiiiir!“ Mina Maus musste sich ein Kichern verkneifen, als ihr das Spinnweben-Gespenst Gilbert vor die Füße kullerte. Statt laut loszuprusten, räusperte sie sich und ging einmal um das Glühwürmchen herum. „Hmmm. Mal sehen… Wie hole ich dich da wieder heraus?“ Gilbert jammerte: „Mit einem Stock brauchst du es gar nicht erst zu probieren.“ Das Glühwürmchen kehrte sich um und zeigte Mina zum Beweis ein abgebrochenes Ästchen, das nun auch in dem Spinnennetz feststeckte.

„Ich habe auch nichts bei mir, womit ich die Fäden zerschneiden könnte.“ Mina tippte sich nachdenklich auf das Schnäuzchen. „Und so ein Spinnennetz ist ziemlich stabil. Es hält Regen und Wind stand. Ihr Gesicht hellte sich Gesicht auf. „Aber bestimmt nicht meinen Mäusezähnchen, die die etwas harten, aber superleckeren Nusskekse von Frau Eichhorn knabbern können!“ Mina zögerte nicht lange und machte sich sofort ans Werk. Mit nur ein paar Happs, schaffte sie es, in das Netz ein Loch zu bekommen, aus dem Gilbert leicht hinausschlüpfen konnte.

Das Glühwürmchen streckte mit einem wohltuenden Seufzer seine Arme aus, schüttelte seine Beine und auch seine Flügel konnte es wieder ganz aufklappen.

Mina Maus legte den Kopf schief und wollte von Gilbert mit einem Schmunzeln wissen: „Naaa? Habe ich dich aus deinem Kokon befreit und jetzt bist du ein wunderschöner Schmetterling?“ Gilbert schaute sie ganz entrüstet an. „Kann ein Schmetterling etwa so toll leuchten wie ich? Nein! Ich bin gerne ein Glühwürmchen und bleiben ein Glühwürm… UAHHH“ Gilbert musste laut gähnen. „Jetzt muss ich mich aber schlafen legen. Eigentlich bin ich schon viel zu lange unterwegs. Wir Glühwürmchen summen nämlich eigentlich nur an Sommerabenden über die Wiese.“ Mina nickte langsam. „Dann bist du ja genauso spät dran wie ich. Aber eine Sache noch…“ Nun war es unsere kleine Maus, die Gilbert bittend ansah: „Könntest du mich vielleicht vorher noch nach Hause bringen? Es ist so furchtbar dunkel und du leuchtest so schön hell.“ Gilbert Glühwürmchen hob ab – dieses Mal ohne Heul-Summen – und sagte: „Sehr gerne, Mina. Guten Freunden hilft man UAHHH doch immer gern, zu jeder Tages- und Nachtzeit.“

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