KirschTrollmonade

Sonderbare Waldbewohner

Friedrich riss die Tür von Pauls Zimmer auf. „Wie kannst du hier nur so ruhig sitzen? Los!“, spornte er seinen Freund an und schob seine große Brille zurecht. Paul zuckte zusammen. „Hast du mich erschreckt!“ Er war gerade dabei gewesen, den Inhalt seines neuen Wanderrucksacks zu kontrollieren, den Mama und Papa ihm zum 8. Geburtstag geschenkt hatten. „Taschenlampe, Lupe, die Feuersteine und das Fernglas. Ich hab alles!“, rief er. Heute würden sie zu einem richtigen Waldabenteuer aufbrechen. Darauf freuten sich die zwei Jungs schon seit Wochen.

Mit flottem Schritt hielten sie auf den Waldrand zu. An diesem schönen Sommertag schien die Sonne auf die grünen Blätter und zauberte ein Schattenmuster auf den braunen Erdboden.  Sehr viel los, war hier nicht. Vielleicht dösten die Vögel, Füchse und Rehe noch vor sich hin. Aber den Weg sollte man sich genau merken. Die Jungs hatten also ihre Ohren gespitzt und schauten in alle Richtungen.

Plötzlich hörten Paul und Friedrich zwei Stimmen. Sie schauten sich erstaunt um, konnten aber weit und breit niemanden entdecken. „Bist du dir ganz sicher, dass du nichts gesagt hast?“, murmelte Paul. Die Stirn in Falten gelegt und mit fragendem Blick antwortete Friedrich: „Denkst du ich bin ein Bauchredner oder sowas? Nein, ich habe keinen Pieps von mir gegeben!“ Die zwei Burschen machten vorsichtig drei Schritte rückwärts und versteckten sich hinter dem dicken Stamm einer Buche. Man konnte ja nie wissen, was in einem so tiefen Wald vor sich geht. Sie warteten gespannt.

Es war immer noch niemand zu sehen, doch die Stimmen wurden lauter und ärgerlicher:

„Du schimmliger Buckeltäubling! Ich habe sie gestern zuletzt in deinen fusseligen Pfoten gesehen“, schimpfte Zottelpelz. „Nein, nein, das stimmt nicht! Du hast sie gehabt!“, schnappte Zipfelöhrchen, während er sich an seiner Knubbelnase kratzte, die immer besonders juckte, wenn er aufgebracht war.

Ärgerlich gab Zipfelöhrchen seinem Bruder einen kleinen Schubs. Der hielt sich erschrocken an dem stänkernden Trolljungen fest und schon purzelten beide, als ein braunes Knäuel aus kurzen haarigen Armen und Beinen, den Hügel hinunter.

Da! Aus den Farnen vor Paul und Friedrich kullerten zwei pelzige Tiere. Aber Moment mal, der eine hatte eine Latzhose an und der andere trug einen Pulli mit bunten Flicken. Sie sprechen, tragen Kleidung und laufen aufrecht, das konnten doch keine Tiere des Waldes sein, oder? Ratlos sahen sich die Jungs an und konnten sich vor Staunen nicht von der Stelle rühren.

„Ui, ui, ui. Das war total unnötig. Immer musst du übertreiben. Mein ganzes Fell ist mit Himbeersaft bekleckert und die Tannennadeln piken mich“, maulte Zottelpelz. „Ach sei ruhig. Die Himbeeren kleben auch an meinem Bauch! Was beschuldigst du mich armen Ritterling auch. Und trotzdem habe ich die dumme Tarnkappe nicht!“

„Tarnkappe?“, platzte es laut aus Paul und Friedrich heraus. Erschrocken sahen sich die zwei Trolljungen um und stießen einen kleinen Schreckenshickser aus.

Nachdem er sich wieder etwas gesammelt hatte, sagte Zipfelöhrchen mutig und auch ein bisschen aufmüpfig: „Was haben wir denn hier: zwei neugierige Menschenkinder. Was macht ihr in unserem Wald und warum belauscht ihr unser Gespräch? Die Menschen haben einfach keine Manieren! Hören einfach bei sehr persönlichen Gesprächen zu.“

„Wir wollten nicht lauschen. Aber ihr wart so laut, dass man euch gar nicht überhören konnte. Wer seid ihr eigentlich? Ihr seht nicht aus wie wilde Tiere, eher putzig“, sagte Friedrich mit einem Lächeln. Sofort fing Zipfelöhrchens Nase wieder an zu jucken. „Hat er uns gerade putzig genannt?!“ Zottelfell machte ein wichtiges Gesicht, richtete sich zu seiner vollen Größe von einer Milchtüte auf und streckte seinen Zeigefinger hoch in die Luft. „Jawohl, diese Naseweise haben uns, die wir die hübschesten und schlauesten Wesen weit und breit sind, putzig genannt.“

Zipfelöhrchen machte einen Sprung, kletterte an Friedrichs Bein herauf und nahm auf seiner Schulter Platz, sodass er genau neben seinem Ohr saß. „Wir sind Trolle, du Dummerchen. Siehst du das nicht?“ Mit einem geschickten Griff, stellte Friedrich das keifende Kerlchen wieder auf den Boden. „Ich dachte immer, Trolle seien größer und bedrohlicher. Mein Opa hat mir erzählt, dass sie in den Nordländern wie Schweden oder Norwegen wohnen. Ich muss ihm unbedingt erzählen, dass es auch bei uns welche gibt“, sagte Friedrich aufgeregt. „Gar nichts wirst du ausplaudern, du Borkenkäfer! Wir bleiben lieber im Verborgenen. So ist es viel leichter, euch Streiche zu spielen und wir haben hier zwischen hohen Tannen und dunklen Höhlen unsere Ruhe“, erklärte Zipfelöhrchen bestimmt.

Zottelfell stieg auf einen Steinhaufen, um etwas bedrohlicher zu wirken. „Wehe, ihr petzt!“ Paul ging in die Hocke und grinste. „Ist ja schon gut. Wir sagen nichts. Aber was ist jetzt mit der Tarnkappe? Gibt es die wirklich?“ Zipfelöhrchen zog seine linke Augenbraue in die Höhe. „Natürlich haben wir so eine. Mal sehen. Vielleicht könnt ihr uns ja doch behilflich sein.“ Der Trolljunge sah zu seinem Bruder hinüber, der erst mit den Schultern zuckte und ihm dann mit einem kurzen, aber kräftigen Nicken zustimmte. Und so erzählte Zipfelöhrchen Paul und Friedrich die ganze Geschichte von den süßen verbotenen Kirschen und der Tarnkappe:

Der verbotene Garten

Am Morgen hatten die zwei pelzigen Trolle mächtiges Bauchgrummeln bekommen. Etwas Schmatzeleckeres zum Essen musste her. Aber das sollte nicht irgendetwas sein, sondern reife, süße Früchte, die einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Dummerweise gab es solche Köstlichkeiten nur in dem Garten vom Herrn Huber und der wollte sie nicht teilen.

Er war ein wirklicher Griesgram. Der alte Herr hütete seine Kirschbäume, mit denen er viele Troll- und Kinderbäuche hätte füllen können, wie einen Schatz. Deshalb hatte er um seinen Garten einen hohen Zaun aus Holz gebaut.

Trotzdem wollten es Zipfelöhrchen und Zottelfell versuchen und mit dem Klauen von besonders schönen Früchtchen, dem Herrn Huber eins auswischen. Dazu brauchten sie viel Geschick und die Tarnkappe. Stülpte man sich diese über den Kopf, war man für die anderen komplett unsichtbar.

Zuerst hatte sich Zottelfell getraut. Schnell war er auf den nächsten Baum geklettert, hatte von da aus die in den Garten ragenden Äste eines Kirschbaumes ergriffen und war mit einem schwungvollen Hopser auf die andere Seite gesprungen. Seine Füße waren auf herrlich weichem Gras gelandet. Der Troll hatte mit großen Augen in das Kirschparadies geblickt und war begeistert, von so vielen Leckereien dicht an dicht. „Wäre doch gelacht, wenn ich die Bäumchen nicht von ihrer süßen Last befreien könnte“, hatte er gedacht und sich dabei über die Lippen geschleckt.

Der Troll hatte sich ans Werk gemacht: Wer genau hinschaute, konnte nur erkennen, dass die roten, glänzenden Früchte wie von Zauberhand erst kleine Beißspuren bekamen und dann verschwanden. Schnell hatte sich Zottelfell, noch ungesehen, die Taschen voll gemacht und war zu seinem ungeduldig wartenden Bruder zurückgekehrt, denn der wollte schließlich auch hinein ins Kirschvergnügen.

Die Bäuche ebenso gefüllt wie ihre Vorratsbeutel, hatten sie sich zufrieden auf den Heimweg gemacht. Doch erst, als die Trolle an den bekannten Bäumen ihres Waldes angekommen waren, war ihnen aufgefallen, dass die Tarnkappe verschwunden war.

„Und dann haben wir uns angefangen, zu streiten. Womöglich haben wir sie doch im Garten des Alten vergessen. Wie sollen wir sie nur unbemerkt finden? Stellt euch das mal vor: nie wieder Streifzüge, auf denen wir Gartenzwerge umschubsen können und vor allen Dingen, nie wieder leckere Kirschen. Ach du lieber Sauerklee, was soll nur aus uns werden“, jammerte Zipfelöhrchen.

Friedrich kam da gleich eine Idee: Mit dem Fernglas könnten sie auch aus sicherer Entfernung die Tarnkappe erspähen und mit ihren vorsorglich ausgewählten waldgrünen Jacken und Mützen, würde man sie bestimmt nicht so leicht bemerken. Zottelfell kratze sich an seinem dicken Bäuchlein und meinte zögerlich: „Hach, was soll’s. Versuchen wir es.“

„Hier, ihr könnt euch so lange in unseren Rucksäcken verstecken“, schlug Paul vor. Zipfelöhrchen und Zottelfell setzten schnell ein paar Schritte zurück. „Was, in diese muffigen Dinger? Am Ende tragt ihr uns noch zu einer Müllhalde und schmeißt und auf den höchsten Haufen!“, schrie Zipfelöhrchen entrüstet. Paul machte seinen geräumigen Rucksack auf und packte seinen Teil der Ausrüstung in den Rucksack von Friedrich. „So, sieh her, alles in Ordnung. Ich mache den Reißverschluss auch nicht ganz zu, sodass ihr herausschauen könnt. Seid doch nicht immer so misstrauisch.“ Mit skeptisch zusammengekniffenen Augen und einem leisen Knurren stiegen die zwei Trolle in den Rucksack.

Nun zu viert, machten sich die Abenteurer auf den Weg zum Herrn Huber. Noch waren sie davon überzeugt, ihn überlisten zu können, aber ganz tief im Bauch, in der hintersten Ecke links, hatten sie doch ein bisschen Angst. Kurz bevor sie in die Kirschgasse einbogen, steckte Zottelfell seinen Kopf aus dem Rucksack. „So, gleich sind wir da. Ach übrigens, wir haben vergessen, euch von dem weißen Ungeheuer zu erzählen, das hinter dem Zaun lauert und sich jeden schnappt, der nicht aufpasst.“

Paul stoppte. „Weißes Ungeheuer? Erst stolpere ich über Trolle und jetzt begegnet mir hier in Dünkelshausen auch noch der Yeti?“ Zottelfell konnte sich vor Lachen nicht mehr halten und fiel zurück in den Rucksack. Aus dem Inneren erklang seine prustende Stimme: „Nein, du liegst ganz falsch. Der Spitz vom alten Herrn Huber mag vielleicht genauso riechen wie der Yeti, ist aber ein Hund – ein sehr gefährlicher wohl gemerkt.“ Paul und Friedrich rollten mit den Augen und atmeten erleichtert aus. Was sollte ihnen ein kleiner Hund schon anhaben?

Dann sahen sie ihn vor sich: einen Holzzaun, zweimal so groß wie ein Erwachsener. Das war das Meisterwerk des Obstgartenbesitzers Heinrich Huber. Wie sollte man da nur hinüberkommen? Mutig erklomm Paul den nächsten Baum. Oben angekommen, hielt er sich das Fernglas vor die Augen. Auch er sah die vielen schönen Obstbäume mit den leckeren Früchten, die grüne Wiese mit den bunten Blumen und etwas, das in der Sonne sehr stark glitzerte. Moment mal Glitzer? Paul teilte seine Beobachtung sofort mit. „Ja, das ist sie!“, jubelten die Trolle.

Was da schimmerte, waren die vielen tausend Tautropfen der Tarnkappe, die durch Fäden von Schmetterlingkokons miteinander verwoben waren. Die Sonnenstrahlen brachen sich in den vielen Tröpfchen und ließ die Kappe am Baum nur so funkeln.

Ihre Freude wurde aber sogleich wieder getrübt, denn die Tarnkappe hing in dem Wipfel eines Kirschbaumes fest, der in der hintersten Reihe des Gartens stand.

Paul zog seine Stirn in Falten. Sollte er es wagen, in den Garten zu springen? Er würde sich schnell hinter einem Baum verstecken, ein Stück rennen und sich dann hinter dem nächsten dicken Stamm stellen. Ja, so käme man schnell an sein Ziel. Paul machte sich zum Absprung bereit: Er stellte seine Füße sicher auf den Ast, ging leicht in die Hocke und atmete tief ein – als plötzlich ein durchdringendes Bellen zu hören war. Der Hund Filou schlug Alarm!

Friedrich und die Trolle sahen hilflos zu Paul hinauf. „Paul komm runter! Schnell, rennen wir weg!“, schrie Friedrich und griff schon nach Zottelfells Schwanz, um ihn in den Rucksack zu packen. Doch es war schon zu spät. Durch die grünen Zweige kam Herr Huber im Eiltempo heranmarschiert.

Er sah nicht viel anders aus als die Stämme in seinem Garten: knorrig und mit einem Gesicht, das von tiefen Linien geprägt war. Sein weißes, schon dünnes Haar, wurde von einer Schiebermütze bedeckt, deren grüne Karos von der Sonne schon ganz verblasst waren. „Na warte, Bengel!“, schrie er schon von weitem. Paul konnte sich vor lauter Anspannung nicht bewegen. Herr Huber hinkte zwar ein wenig, doch schnell wie ein Wiesel, war er am Zaun und damit auch an Pauls Versteck angelangt.

Eine erfrischende Geschäftsidee

„Was starrst du so meine Bäume an? Ich weiß ganz genau, dass du es auf die Kirschen abgesehen hast“, sagte er mit tiefer Stimme, die sich für den ängstlichen Jungen wie ein Gewittergrollen anhörte. Paul streckte seinen Rücken durch und antwortete ihm nach einem zittrigen Räuspern: „Ihre Kirschen interessieren mich nicht. Sie haben etwas in Ihrem Garten, dass nicht Ihnen gehört.“ Die buschigen Augenbrauen des Alten fuhren in die Höhe. „Alles in meinem Garten gehört mir! Ich kenne jeden Grashalm, jeden Strauch und jedes Blatt an den Bäumen. Wie kommst du auf solch einen Unsinn? Jetzt scher dich fort und lass mich und meine Kirschen in Ruhe!“

Da hielt es Zipfelöhrchen nicht mehr länger am Boden aus. Ratzfatz war er hinter Paul auf dem Baum, hopste in den Garten und baute sich mit den Händen in den Hüften vor dem Herrn Huber auf.

„Wir wollen unsere Tarnkappe wiederhaben, die wir heute Morgen hier beim Kirschenklauen verloren haben! Rücken Sie sie heraus!“ Erschrocken über das, was er gerade verraten hatte, hielt sich der Troll die Hände vor den Mund.

Als Herr Huber den wütenden Troll erblickte, hatte es ihm die Sprache verschlagen. Allerdings hielt das nicht lange an. „Filou: Fass!“, erklang seine Donnerstimme. Das ließ sich der gehorsame Spitz nicht zweimal sagen. Er rannte so schnell los, dass seine vier weißen Pfötchen aussahen wie wirbelnde Schneeflocken. Paul reagierte prompt und sprang aus seinem sicheren Versteck. Auch Friedrich und Zottelfell hatten mitbekommen, was geschehen war und halfen sich gegenseitig, um schnell über den Zaun zu kommen.

Gegen ein kleines Trollwesen glaubte sich der Spitz behaupten zu können, aber als er sich der Stärke der vier Gefährten bewusst wurde, zog er ganz schnell den Schwanz ein und kehrte winselnd zu seinem Herrchen zurück. Mit hochroten Köpfen und pochenden Herzen standen Paul, Friedrich, Zottelfell und Zipfelöhrchen vor dem Herrn Huber.

Als erster fand Friedrich die Worte wieder: „Lassen Sie unsere Trolle in Frieden! Sie sind wirklich ganz harmlos. Die Zwei haben sich nur einen Scherz erlaubt. Ihnen tut es auch schrecklich leid. Nicht wahr?“ Friedrich schaute die Trollbrüder fragend an und hob Zipfelöhrchen vom Boden auf seine Handfläche. Der blickte erst erschrocken und dann erbost drein. Noch etwas ärgerlich grummelte er: „Ja, ja. Vielleicht. Aber der Herr Huber muss uns auch die Tarnkappe zurückgeben.“

Auch der alte Herr ließ sich nicht so einfach beschwichtigen. Wenn nun die Trolle die Tarnkappe wieder nutzten, um ihn zu bestehlen? Nein, so einfach würde er es ihnen nicht wieder machen. Paul kratzte sich am Kopf, um besser nachdenken zu können. Ein Kompromiss musste gefunden werden. „Ha!“ Er klatschte vor Freude in die Hände, denn ihm war eine glänzende Idee gekommen. „Wer hilft Ihnen eigentlich bei der Ernte der Früchte? Und was machen Sie mit den vielen Kirschen? Schließlich können Sie die doch nicht alle alleine essen“, fragte er den Obstgartenbesitzer.

„Du Naseweis hast doch keine Ahnung. Keine Kirsche geht bei mir verloren oder wird verschwendet. Ich koche sie mit Zucker ein und bewahre sie in großen Einmachgläsern auf. Vielleicht kommen Sommer, in denen nicht so viele Früchte wachsen. So habe ich immer einen Vorrat.“ Friedrich rechnete schnell nach und stellte fest, dass Herr Huber einen Haufen Gläser haben müsste. Damit hatte er auch gar nicht unrecht: In dem blauen Gartenhäuschen des alten Herren drohten die Regale unter dem Gewicht der Kirschgläser jeden Moment zu brechen. Aber er konnte sich von keinem trennen.

„Warum machen wir nicht einen Kirschlimonadenstand auf?“, schlug Paul vor. „Wir helfen Ihnen mit der Ernte und teilen uns das eingenommene Geld. So brauchen Sie auch keine Angst zu haben, dass Zottelfell und Zipfelöhrchen welche mit der Tarnkappe klauen und können diese den Trollen wiedergeben. Schließlich sind wir dann Geschäftspartner.“

Herr Huber schaute abwechselnd Zipfelöhrchen, Zottelfell und die beiden Jungs an. Hilfe könnte er tatsächlich gebrauchen. Der Rücken tat ihm abends doch schon etwas weh. Und ein bisschen Geld in der Kasse ist immer gut. Sein Häuschen hatte Löcher im Dach.

Herr Huber hatte sich entschieden. Er willigte ein. Die vier Freunde mussten ihm aber versprechen, keinen Schabernack zu treiben. Den Trollen würde das zwar sehr schwer fallen, doch auch sie nahmen sich vor, nicht all ihre Flausen in die Tat umzusetzen. Paul und Friedrich strahlten über das ganze Gesicht. Mit dieser Idee war schließlich allen geholfen.

Der Kirschlimonadenstand

Man machte sich gleich ans Werk. Eimer für Eimer füllten sie mit den leckeren Kirschen. Die Trolle waren durch ihre vorherigen Stibitzaktionen die perfekten Erntehelfer, da sie blitzschnell auf die Bäume klettern und auch bequem ohne eine Leiter die Kirschen in den Baumwipfeln erreichen konnten.

Herr Huber hatte, da er nie etwas so leicht wegschmeißen konnte, hinter seiner Hütte ein paar alte Bretter, aus denen man eine Bude bauen konnte. Gemeinsam hatten sie mit Hämmern, Nägeln und frischer Farbe einen 1A Kirschlimonadenstand gebaut.

Herr Huber war von dem Eifer und dem Geschick der Kinder und Trolle ganz überrascht. Der schusslige Zottelfell hatte zwar seinem Bruder aus Versehen mit dem Hammer auf den großen Zeh gehauen und Friedrich lutschte konzentriert an seinem Daumen, in dem ein Schiefer steckte, aber sonst hatten sie Hand in Pfote gearbeitet.

Zufrieden brachten sie noch das letzte Brett an, auf das Friedrich, der in Kunst immer gute Noten hatte, mit roten schwungvollen Buchstaben: „Leckere KirschTrollmonade“, pinselte. Zipfelöhrchen und Zottelfell tauchten ihre Pfoten noch in die kräftige grüne Farbe und verzierten das Werk mit besonders schönen Tapsern.

Nun musste ein Rezept für die KirschTrollmonade her. „Da frage ich am besten meine Oma“, schlug Paul vor. „Dann machen wir morgen weiter. Es ist schon spät“, beschloss Herr Huber. Die Trolle waren auch schon ganz müde und krochen freiwillig in den Rucksack. „Halten Sie sich für morgen bereit. Wir werden ganz groß rauskommen, denn jeder, der unsere Limonade erst einmal probiert hat, wird nicht genug davon bekommen können“, sagte Zipfelöhrchen gähnend und winkte zum Abschied mit der Tarnkappe. Die hatte Herr Huber mit einem langen Stock von seinem Kirschbaum für die Trolle heruntergeholt.

Auf der Kirschgasse stehend, mit einem guten Gefühl im Bauch, sahen sich Friedrich und Paul noch einmal um. Im roten Licht der untergehenden Sonne standen der alte Obstgartenbesitzer und Filou vor dem großen Zaun und schauten ihnen nach.

Paul winkte und Herr Huber zeigte ihnen ein kleines Lächeln. Paul fragte sich, wann er dieses wohl zum letzten Mal jemandem geschenkt hatte.

 

Am nächsten Tag trafen sich Paul und Friedrich mit den zwei Trollen an der Stelle, an der sie sich zum ersten Mal begegnet waren. „Na endlich“, sagte Zottelfell ungeduldig. „Wir sind hier schon fast angewachsen. Habt ihr auch alles dabei?“, fragte der Troll und hüpfte von einem Bein auf das andere. Paul winkte mit dem Rezept seiner Oma. Auch Herr Huber wartete ungeduldig vor seinem Gartentor. Die ganze Nacht hatte er nicht schlafen können und sich so oft in seinem Bett herumgedreht, dass die Kirschgläser am Ende seiner Baumwolldecke nur so geklirrt hatten.

„Kommt schnell hinein! Ich habe schon meine größte Schüssel auf den Küchentisch gestellt und ein bisschen Platz für unser Vorhaben gemacht“, sagte Herr Huber. Die Freunde stiegen einer nach dem anderen über eine  wackelige Holztreppe in das veilchenblaue Häuschen.

Sie staunten nicht schlecht, als sie die vielen Kirschgläser sahen. Als Herr Huber die großen Augen seiner Gäste bemerkte, zuckte er nur mit den Schultern. „Die Gläser können wir gut verwenden. Die Kirschen sind schon schön süß und weich“, merkte er an. „Das wird viel Limonade ergeben. Damit könnte man die ganze Stadt versorgen“, kicherte Friedrich.

Das Rezept war auch keine Hexerei. Paul machte ein Glas von den bereits eingemachten Kirschen auf, mischte sie mit den frischen Früchten aus dem Garten und machte alles mit dem großen Kartoffelstampfer vom Herrn Huber zu Mus. Anschließend strich Friedrich das Mus durch ein Sieb. Der so entstandene Saft, wurde in einem großen Topf langsam erwärmt und der Zucker von den Trollen hineingeschüttet. „So, nachdem der ganze Spaß abgekühlt ist, geben wir zu dem konzentrierten Kirschsaft noch klares Wasser und einen Spritzer Zitrone hinzu“, erklärte Paul.

Gespannt schaute ihm Herr Huber über die Schulter. Er hatte davon nämlich überhaupt keine Ahnung und begnügte sich mit der Aufgabe, ihm die nächste Zutat zu reichen. Etwas skeptisch blickte Zottelfell in die Schüssel mit der roten Flüssigkeit. „Mit etwas Schneckenschleim und Krötenspucke würde die Limonade besser schmecken.“ Friedrich und Paul schüttelten energisch die Köpfe. „Spaßverderber. Die wissen halt nicht, was gut ist“, murmelte Zottelfell.

Um die große Schüssel zu ihrem Stand vor dem Zaun befördern zu können, mussten alle mit anpacken. Das war eine ganz schön wacklige Angelegenheit und beinahe wäre der ganze Trunk auf der Wiese gelandet. „Puh“, sagte Herr Huber. „Hoffentlich kommt auch jemand. Immerhin bin ich in dieser Straße nicht sehr beliebt“, gab er traurig zu bedenken. „Ach was“, antworteten Zottelfell und Zipfelöhrchen. „Wir sind so lustige Gesellen. Hat Friedrich uns nicht bei unserer ersten Begegnung putzig genannt? Uns wird schon etwas einfallen.“

Und wirklich: Von dem süßen Duft angelockt, kamen immer mehr Neugierige, die einen Blick auf den Stand und die auffälligen Verkäufer warfen. Grinsend saßen die zwei Trolljungs auf einer Kiste neben dem Stand und riefen:

„Guten Tag, durstige Menschen! Kommt zu uns, denn hier gibt es die leckerste Limonade der ganzen Stadt. Wir haben für Euch nur die süßesten Kirschen aus dem Garten vom lieben Herrn Huber gesammelt!“

Herr Bieber war der Erste, der sich einen Becher kaufte. Er kostete ganz vorsichtig und über sein Gesicht huschte ein Lächeln. „Ja, die werde ich weiterempfehlen“, sagte er. Die Verkäufer freuten sich riesig. Ihr erster Verdienst! Nachdem sich Herr Bieber getraut hatte, wollten auch die anderen Neugierden die Limo probieren. Es dauerte nicht lange und schon hatte sich an dem kleinen Stand eine Schlange gebildet. Die Kirschgasse war mit dem Lachen und Gesprächen von zufriedenen Kunden erfüllt.

Mit jedem ausgeschenkten Becher wurde es Herrn Huber leichter um die Brust.  Er beschloss seinen Zaun abzureißen und damit nicht nur seinen Garten, sondern auch sich, für liebe Menschen zu öffnen.

„So einen schönen Tag hatte ich schon sehr lange nicht mehr“, sagte Herr Huber mit einem Leuchten in seinen Augen. „Ja, er war nicht übel. Wir lernen immer mehr Menschen kennen, die gar nicht so garstig sind. Ein Mädchen hat mir sogar die Hälfte von ihrer Schokolade abgegeben, obwohl sie die auch gerne selbst gegessen hätte“, antwortete ihm Zottelfell und schleckte an seiner linken Pfote, an der noch ein kleiner Rest klebte.

„Nur noch eine Nacht, dann beginnt wieder ein neuer Tag, der mindestens genauso schön wird“, fügte Paul hinzu. Da konnte Herr Huber nicht mehr länger an sich halten und tätschelte dem Jungen freundschaftlich die Schulter.

Er hatte das Gefühl nun nicht mehr einsam sein zu müssen, denn er hatte nicht nur Erntehelfer, sondern auch vier Freunde gefunden.

Auch die Trolle hatten heute gemerkt, dass man auch ohne Schabernack zu treiben, einen riesigen Spaß haben kann. Trotzdem werden sie es wohl nicht lassen können, die Tarnkappe herauszuholen. Schließlich muss doch regelmäßig überprüft werden, ob sie noch funktioniert. Wenn ihr also in einem Garten mal Gartenzwerge seht, die nicht geradeaus, sondern liegend in die Luft gucken, dann wisst ihr, dass Zipfelöhrchen und Zottelfell ihnen einen Besuch abgestattet haben.

 

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