Nächster Weihnachtsschlittenhalt: Wichtelwald

Niklas hauchte gegen die von der winterlichen Kälte in ein wolliges Weiß gefärbte, runde Fensterscheibe. Ein leises Quietschen war zu hören, als er mit dem etwas zu langen Ärmel seines neuen Pullovers über das kühle Glas rieb. Dann ließ er sich auf die von ihm mit bunten Blumen und Blättern bemalten Fensterbank nieder – seinem Lieblingsplatz im ganzen Wichtelzuhause. Nach hier oben, in das kleine Türmchen des von den kräftigen Armen einer uralten Eiche gehaltenen Wichtelhauses, verzog er sich gerne, wenn ihm der Wichteltrubel etwas zu viel wurde. Gerade jetzt, in der Vorweihnachtszeit, waren seine vier Geschwister noch wuseliger als sonst. Eben noch waren sie mit lautem Gesang und Trötenklang um Mama, die in der schon siebten Plätzchenteigschüssel für heute rührte, und Papa, der fleißig Nüsse für die süßen Leckereien knackte, herumgerannt.

Niklas schloss kurz die Augen und genoss die Stille. Nach fünf tiefen Atemzügen hob er den Blick zu dem schon in ein nachtschwarzes Gewand gekleideten Himmel. Darauf funkelten und glitzerten die Sterne wie Feenstaub.

Niklas neigte den Kopf erst zur rechten Seite, dann zur linken Seite. Seine Augenbrauen wanderten dabei bis hoch zu seinem haselnussbraunen Haaransatz – das taten sie immer, wenn ihm etwas auffiel, das er unbedingt malen wollte. „Welche tollen, neuen Muster die Sterne wohl ergeben würden, wenn der Schlitten des Weihnachtsmannes sie auf seinem Weg zu den Kindern durcheinanderwirbeln würde?“, fragte er sich laut und war sogleich auf dem Sprung zu seinem Basteltisch mit den vielen Pinseln und Stiften darauf. Doch dann blieb er plötzlich stehen und ließ die Arme hängen.

Den Weihnachtsschlitten würde er wohl wieder nur durch sein kleines Turmfenster sehen. Dass der Weihnachtsmann nicht vor den Häusern, Höhlen und Baumwipfeln der Waldwesen hielt, wusste Niklas mit seinen sieben Jahren schon genau. Schließlich hatte er letztes Jahr mitbekommen, wie Onkel Edmund seinen dicken Bauch in das rote Kostüm gezwängt hatte, um sie mit Spielzeug von Mama und Papa zu überraschen. Doch Niklas wollte ein Geschenk, ganz egal welches, das von den Weihnachtselfen am Nordpol nur für ihn gemacht worden war. Aber noch mehr wünschte er sich, in das freundliche Gesicht des Weihnachtsmannes zu schauen, wenn er es ihm überreichte. Niklas‘ Stimme klang ganz kratzig, als er traurig und auch ein bisschen grummelig eine Frage wie einen kalten Schneeball in den Raum warf: „Weiß der Weihnachtsmann etwa nicht, dass es uns Wichtel, oder die Feen, Grasmännlein und Pilzlinge, Wurzelgnome und Moosweiblein gibt? Oder hat er uns einfach nur vergessen?“

Bevor er noch mehr Trübsal blasen konnte, schallte es entsetzt von der weit aufgerissenen Tür: „Was? Du hast mich vergessen? Na dann komme ich ja genau richtig, um dich an mich: deine supertolle Freundin zu erinnern!“ Das Gesicht des Wichteljungen erhellte sich augenblicklich: „Milla!“ Das Moosweiblein kam mit großen, plumpen Schritten auf ihn zu und grinste so breit, dass die kleinen Moospolster auf ihren Wangen ihre Ohren kitzelten. „Die einzig Wahre!“, erklärte sie stolz, während sie Niklas erst einmal fest in den Arm nahm. Dann schob sie ihn ein Stück von sich weg, um ihm in die immer noch etwas traurig dreinblickenden Murmelaugen blicken zu können.„Jetzt erzählst du mir aber erst einmal, wen oder was du vergessen hast und ich helfe dir dann, dich wieder daran zu erinnern.“ Das Moosweiblein zwinkerte, kniff dabei das tannengrüne Auge zu und ließ das hellgrüne Auge aufmunternd strahlen.

Niklas presste die Lippen zuerst ganz fest aufeinander. Was würde Milla wohl von seinem Wunsch halten? Vielleicht fand sie ihn ja total albern. Wer verlangte schon, dass der Weihnachtsmann mit dem Schlitten persönlich vor seiner Haustür hielt? Milla legte ungeduldig den Kopf schief. „Na? Raus mit der Sprache!“ Niklas seufzte tief. „Schon in zwei Tagen ist Weihnachten…“ Er stockte. „Unnnd?“ Millas tümpeltiefe Augen wurden mit einem Mal ganz groß. „Du hast ein Bild für mich gemalt und es verloren!“ Nach dem kurzen Schreck, winkte das Moosweiblein aber lässig ab und klopfte ihrem Freund tröstend auf die Schulter. „Das macht doch nichts! Du malst einfach ein Neues! Ich mag alle deine Bilder!“ Niklas wischte ihre Hand weg und ging aufgebracht im Zimmer auf und ab. „Das ist es nicht! Hach! Oder irgendwie auch schon!“ Er blieb stehen und schaute das Moosweiblein sehr ernst an. „Wir müssen uns die Weihnachtsgeschenke immer selber basteln, bauen – was auch immer! Im Schlitten des Weihnachtsmannes liegt nie ein Geschenk aus der Elfenwerkstatt für uns! Wir werden immer vergessen!“

Nun ließ auch Milla den Kopf hängen, sodass die grünen Kringellocken sich wie ein Vorhang um ihr feines Gesicht zuzogen. Niklas ließ die Schultern sinken und schlurfte schuldbewusst auf seine Freundin zu. „Tut mit leid. Ich wollte dir die Weihnachtsfreude nicht verderben.“ Milla murmelte: „Ich mochte was ich zu den letzten Weihnachtsfesten geschenkt bekommen habe trotzdem sehr.“ Niklas strich ihr über die zarten Moospflänzchen auf ihrem Rücken. „Du bekommst auf jeden Fall ein Bild von…“ POCH POCH Ein Klopfen unterbrach ihn. „Jetzt nicht, bitte! Wir kommen gleich in die Küche!“, rief der Waldwichtel der Tür entgegen vor der er eines seiner kleinen Geschwister vermutete. Doch statt einer Antwort, klopfte es erneut, diesmal ein bisschen lauter. Milla hob jetzt auch den Kopf. Sie schniefte und strich eine dicke Locke zur Seite. „Ich glaube, es kommt nicht von der Tür.“ „Sondern vom Fenster…“, ergänzte Niklas und machte sich daran, nachzusehen.

Vor der runden Scheibe, flatterte etwas auf und ab und rieb sich frierend über die zarten Arme. Sofort öffnete Niklas das Fenster. Und musste schnell dem hineinsausenden und dabei laut schimpfenden Wesen ausweichen, um nicht von den Füßen gerissen zu werden. „Das Hatschiii wurde aber auch Hatschiiii Zeit! Ich klopfe schon etwas länger, wisst ihr! Warum habt ihr mich nicht gehört?“ Die kleine Fee Viola schüttelte dicke Schneeflocken aus dem fliederfarbenen Haar. Dann öffnete sie den Mund, um noch weiter zu schimpfen, doch schloss ihn wieder, als sie die traurigen Gesichter ihrer Freunde sah. „Na, was ist denn mit euch los? Habt ihr an einem sauren Apfelpunsch genippt, oder warum schaut ihr so verkniffen?“, wollte sie von ihnen wissen.

Milla rappelte sich auf. „Der Weihnachtsmann hat uns vergessen“, erklärte sie knapp. Viola wackelte mit ihren bunt schillernden Flügeln. Ein paar goldene Funken stoben auf und landeten mit einem hellen Aufblitzen auf dem braunen Holzfußboden. Die Fee kicherte: „Wenn es weiter nichts ist! Ich habe da auch schon eine funkelnde Idee! Der Weihnachtsmann wird uns in diesem Jahr garantiert nicht übersehen können. Und wenn er dann Halt macht, werden wir ihm schon was erzählen! Dann kann er gar nicht anders, als mit Geschenken aus der Elfenwerkstatt nur für die Waldbewohner zurückzukehren!“

Niklas hatte seine Wichtelmütze vom Kopf genommen und knetete den weichen Stoff nervös zwischen den Händen. Viola sah wohl, wie aufgeregt ihr Freund war. Darum flog sie zu ihm und setzte sich auf seine Schulter, ganz nah an sein Ohr. „Also…“, begann sie und lächelte auch Milla verschmitzt zu. „Wir bereiten für den Weihnachtsschlitten die beste Landebahn, die der Weihnachtsmann und selbstverständlich auch seine Rentiere, je gesehen haben! Ihr bastelt die allerschönsten Schmuck für die Tannenbäume auf der kleinen Waldlichtung. Ich werde eure Baumkunstwerke dann mit Feenstaub bestreuen, dass sie nur so glitzern! Und… Achtung, jetzt kommt der beste Teil: Ich werde die Irrwische dazu überreden, ihre Lichter auf der Lichtung bunt leuchten zu lassen. Für so einen Weihnachtsspaß sind sie ganz bestimmt zu haben!“ Viola klatschte begeistert über ihren eigenen Plan in die Hände.

„Was findet hier oben denn für ein geheimes Treffen statt?“ Mama stand mit einem Teller voller Plätzchen in der Tür. Vor lauter Pläneschmieden, hatten die Freunde sie gar nicht kommen hören. Die Wichteldame lächelte von einer vom vielen Backen rot gefärbten Wange zur anderen. „Wenn ihr für meine Leckereien nicht nach unten kommt, müssen sie eben zu euch kommen!“ Niklas schnappte sich gleich den Teller und gab seiner Mama ein Küsschen. „Danke! Die können wir sehr gut gebrauchen!“ Die Wichtelmama zog fragend die Augenbrauen zusammen. „Gebrauchen?“ Alle drei Freunde grinsten und nickten kräftig, denn sie wussten genau wofür.

Nur kurz nachdem Mama Wichtel kopfschüttelnd wieder nach unten gestapft war, gähnte Viola. „Uhhaa. Ich werde jetzt nach Hause fliegen, sonst muss ich mir morgen in der höchsten Tanne ein Schlafplätzchen suchen.“ Auch Milla rieb sich die Augen. „Gut.“ Niklas‘ Herz klopfte zwar immer noch so heftig, dass er nicht an Schlaf denken konnte, aber schließlich mussten sie für so eine wichtige Aufgabe alle ausgeruht sein. Die Freunde wünschten sich noch schöne Träume voller Geschenke, Weihnachtsmusik und tanzenden Zuckerstangen und verabredeten sich für den nächsten Tag auf der kleinen Waldlichtung.

„Da ist noch ein schöner Tannenzapfen! Du kannst ihn in meinen Korb legen. Deiner ist ja schon ganz voll!“, lachte Milla und hielt, die Hände in dicken, grünen Handschuhen Niklas ihren Weidenkorb hin. Niklas schob einen breiten Nadelzweig beiseite und entdeckte das halb von pudrigem Schnee verdeckte, gute Stück. Nachdem er den Zapfen von allen Seiten betrachtet hatte, ließ er ihn zufrieden in Millas Korb plumpsen. „Danke! Und weißt du was? Den werde ich ganz besonders anmalen!“ Niklas holte aus seiner Manteltasche zwei kleine, aber reich verästelte Zweiglein heraus. „Die klebe ich mit Baumharz ganz oben dran und unter zwei Kulleraugen kommt eine rote Nase.“ „Oh, du willst ein Rentier daraus basteln!“, freute sich Viola und machte eine so schwungvolle Drehung, dass ihr gleich drei der gesammelten Haselnüsse aus ihrer Umhängetasche fielen. Lachend hob Niklas sieh auf. „So und jetzt nichts wie zurück in meinen Turm! Ich will endlich anfangen!“

Da saßen sie nun, um den Basteltisch des kleinen Waldwichtels herum. Niklas hatte konzentriert den Kopf gesenkt und malte die schönsten Muster aus Schneemännern, Weihnachtssternen und Schleifen auf die Zapfen und Nüsse. Milla fädelte durch jedes der Kunstwerke und auch durch die Plätzchen einen Faden, damit man sie auch aufhängen konnte. Und Viola summte Weihnachtslieder, während sie die von den Spinnen fein gewebten Fäden entwirrte und schon einmal mit ein bisschen Glitzer bestäubte. Die Freunde arbeiteten eifrig, bis die Sonne ihren Tageskreis beendet hatte und der Abend anbrach. Niklas legte den Pinsel zur Seite. Seine Hände kribbelten schon von der ganzen Anstrengung. Milla zog den letzten Faden durch ein Plätzchen mit rotem Zuckerguss. Dann sah sie ihre Freunde ernst an. „Morgen gilt es. Morgen ist schon Weihnachten!“ „Und wir werden das dem Weihnachtsmann die schönste Schlittenlandebahn aller Zeiten bereiten!“, hielt Viola sogleich fest. Niklas nickte langsam und flüsterte: „Der Weihnachtsmann wird dieses Jahr auch zu uns kommen. Er wird gar nicht anders können.“

„Hast du wirklich alle Tannenzapfen aufgehängt? Und auch nicht heimlich doch ein paar der Plätzchen vernascht?“, wollte Niklas von Milla wissen, bereute aber gleich seine Frage, als sie ihm einen grimmigen Blick zuschoss. Das Moosweiblein stemmte die Arme in die Seite und schnappte hitzig: „Du kannst gerne noch einmal nachzählen! Es müssten hundertneunundsiebzig Zapfen, neunundneunzig Nüsse und zweiundzwanzigeinhalb Plätzchen – ok, eines ist ein bisschen zerkrümelt – sein!“ Niklas hob entschuldigend die Schultern bis zu den Ohren. „Das war nicht so gemeint. Ich bin nur so aufgeregt…“ Millas Blick wurde weicher. „Schon gut. Wir wünschen uns doch alle, dass es funktioniert. Und deshalb…“ Mit voller Stolz glänzenden Augen zog sie etwas Flauschiges aus ihrer Tasche. „…habe ich für jeden von uns eine Weihnachtsmütze gestrickt!“ Das von dem Wichteljungen staunende „Ohhhh“ ging fast völlig in dem begeisterten Quietschen der Fee Viola unter. „Die Sterne auf meiner Mütze sind ja sogar lila! Das ist meine Lieblingsfarbe!“ „Und passen tut sie wie angegossen!“, stellte Niklas fest, während er den Zipfel seiner knallbunten Mütze schön gerade nach oben zog.

„Dann kann es ja losgehen! Haltet euch die Ohren zu, denn jetzt kann es ein bisschen laut werden!, kicherte Viola. Niklas und Milla gehorchten. Die kleine Fee klatschte in die Hände, um zu testen, ob ihre Freunde auch wirklich nichts hörten und streckte anschließend zufrieden den Daumen hoch. Dann blies sie ihre Backen weit auf und pfiff so laut sie konnte. Sofort kamen sie aus dem schon dunklen Wald angesaust: in Knallrot, Tannengrün, Sternengelb, Schneeweiß, Himmelblau und Mandarinenorange. Niklas und Milla nahmen ihre Hände langsam herunter, ein breites Grinsen auf den begeisterten Gesichtern. Die Irrwische! Sie waren dem Ruf der Fee Viola gefolgt. Die war den Lichtern schon entgegen geflogen und versuchte nun, in den bunten Trubel Ordnung zu bringen. Schließlich sollten sie die Landebahn als eine gerade Linie ausleuchten.

Am Abend standen die drei Freunde Hand in Hand mitten auf der Lichtung und waren ganz beseelt von ihrem Wunderwerk. Alles glitzerte und sah so schön weihnachtlich aus. Viola war die erste, die in die besinnliche Stille hinein sagte: „So lange wir auf den Weihnachtsmann warten, könnten wir auch ein schönes Weihnachtslied singen. Also mein Lieblingslied ist „Kling Glöckchen kling….“ „Warte! Hört ihr das auch?“, unterbrach sie da Niklas. Die Freunde mussten gar kein Glöckchenlied anstimmen, damit es leise klingelte. Dies tat es nämlich schon. Und es wurde immer lauter. „Da! Da! Der Weihnachtsschlitten!“, „Er kommt!“, „Hierher! Hier ist unsere Landebahn!“, „Weihnachtsmann! Du musst langsamer werden!“ Die Freunde überschlugen sich fast, als sie versuchten, den Weihnachtsmann auf sich aufmerksam zu machen. Doch der Weihnachtschlitten wurde nicht langsamer. Die Rentiere galoppierten am Nachthimmel einfach über die kleine Lichtung hinweg. Der Weihnachtsmann kam nicht zu ihnen! Alles war umsonst gewesen…

„Dabei haben wir uns so eine große Mühe gegeben! Der Weihnachtsmann hat unserer geschmückten Lichtung nicht einen Blick geschenkt!“, schniefte Niklas. Der Wichteljunge vergrub sein Gesicht noch etwas tiefer in die weiche Strickjacke von Mama. Die Wichtelin strich ihm sanft über den Rücken und reichte Milla in Taschentuch, der große Tränen aus den Augen purzelten. Viola zog sich die Mütze vom Kopf. Hier, in von einem kleinen Kaminfeuer erhellten Wichtelstube, war es einfach zu warm dafür. Wehmütig strich die Fee noch einmal über die wunderschönen lilafarbenen Sterne. Zwischen ihre zarten Augenbrauen schob sich eine steile Falte. „Die Irrwische sind mir jetzt bestimmt sauer – schließlich sind sie ganz umsonst gekommen!“, murrte sie.

„Na, na“, brummte Papa Wichtel beschwichtigend. „Niklas, zeig mir doch mal den Weihnachtszapfen, den du in deiner Tasche hast.“ Niklas hob überrascht den Kopf. „Woher weißt du…?“ Papa paffte dreimal mit seiner Pfeife. „Ich habe gesehen, wie du ihn hineingestopft hast, nachdem du ihn noch ein letztes Mal voller Stolz angeschaut hast.“ Stumm reichte Niklas seinem Papa den Tannenzapfen, den er als ein Rentier gestaltet hatte. Papa Wichtel betrachtete ihn prüfend und stellte fest: „Du kannst wirklich stolz auf deine Arbeit sein, denn sie ist wirklich einzigartig!“ Der Sessel knarrte, als der Wichtel sich nun auch Milla und Viola zuwandte. „Genauso einzigartig wie die Strickmützen und die tolle Idee, die Irrwische dazuzuholen!“

Mama drückte jedem der drei Freunde noch ein letztes Plätzchen für den Weihnachtsabend in die Hand. „Und morgen, am 1. Weihnachtstag, schauen wir uns alle gemeinsam eure Lichtung an.“ Sie zwinkerte Viola zu. „Bestimmt lassen sich die Irrwische noch einmal überreden, wenn wir ihnen ein paar Plätzchen mitbringen.“ Auf den Gesichtern von Niklas, Milla und Viola erschien ein klitzekleines Lächeln. Wenigstens ihren Familien konnten sie mit ihren geschmückten Tannen eine Weihnachtsfreude machen.

Mama und Papa hatten in Niklas‘ Turm schon drei kuschelige Betten für die Freunde vorbereitet. Mit einem letzten Küsschen von Mama Wichtel auf die Stirn fielen ihnen schon bald die Augen zu.

HO HO HO Niklas klappte ein Auge auf. Von draußen drang eine tiefe Brummstimme dumpf zu dem Wichtelturm hinauf. „Brrr! Ja, so ist es brav. Wartet hier auf mich. Ich habe noch etwas sehr Wichtiges zu erledigen!“ Jemand stapfte mit kräftigem Schritt durch den knisternden Schnee. Auch über Niklas‘ Arme rieselte ein knisternder Schauer. Konnte das wirklich sein? Schnell rüttelte er seine Freunde wach. „Steht auf! Er ist doch noch gekommen!“ Niklas hüpfte, nur ein Bein in der Hose, mit dem Pullover um seinen Hals kämpfend, zur Tür. Als Milla und Viola merkten, wie aufgeregt ihr Freund war, sprangen sie auch aus ihren Betten. Dies konnte schließlich nur eines bedeuten! Während sie Niklas noch in ihren Schlafanzügen hinterhereilten, schauten sich Milla und Viola mit leuchtenden Augen an. Der Weihnachtsmann war da! Er musste es einfach sein!

„Guten Morgen, werte Wichteldame und Fröhliche Weihnachten! Jemand hat mir am gestrigen Abend eine wundervolle Überraschung auf der kleinen Waldlichtung bereitet. Die Schneespuren von dort haben mich direkt zu Ihrem Haus geführt. Daher nehme ich an, dass die Ehre Ihnen gebührt?“ Mama Wichtel strahlte den Mann im roten Mantel und weißem Rauschebart an. „Guten Morgen, lieber Weihnachtsmann. Ich war es nicht, die die Lichtung geschmückt hat. Aber wartet einen Augenblick, ich hole…Huch!“ Da war Niklas auch schon an seiner Mama vorbeigerauscht und die Wichtelleiter am Stamm der dicken Eiche hinuntergeklettert, bis er direkt vor dem Weihnachtsmann zum Stehen kam. Niklas‘ Atem ging schnell und machte weiße Wölkchen in der Winterkälte, doch er brachte trotzdem stolz hervor: „Ich war…“ Milla und Viola waren ebenso schnell gerannt und geflogen, sodass sie nun fast in ihren Freund hineinkrachten. Niklas grinste breit. „Nein, wir waren das!“

Der Weihnachtsmann ging vor den Dreien in die Knie, damit sie direkt über seine Brille in die gütig dreinblickenden Augen schauen konnten. Er schenkte ihnen sein schönstes Lächeln. „Das war die beste Landebahn für meinen Rentierschlitten, die ich je gesehen habe. Und ich habe dieses Wunderweihnachtswerk gesehen! Glaubt mir!“ Er senkte das Kinn, sodass sein Schnurrbart die runde Nasespitze kitzelte. „Nur leider konnte ich nicht Halt machen. Ihr müsst wissen: mein Zeitplan für das Verteilen der Geschenke ist jedes Jahr sehr knapp bemessen.“ Als der Weihnachtsmann sah, wie leise Enttäuschung sich auf die Gesichter der Freunde stahl, räusperte er sich. „Aber weil ihr die Lichtung so schön gestaltet habt, bin ich natürlich so bald ich konnte zurückgekehrt! Und habe für euch ganz besondere Geschenke mitgebracht.“

Mit seiner großen Hand griff er in seinen Sack und holte drei Schneekugeln heraus und überreichte sie ihnen. Eine war schöner als die andere. Niklas, Milla und Viola schüttelten sie vorsichtig und schon fielen die Flocken über einem Wald und wenn man ganz genau hinsah, auf die Dächer von kleinen Wichtelhäusern, Feenschlössern, Pilzhüten und Baumnestern. Niklas wischte sich eine Freudenträne von der geröteten Wange und schaute zu dem lieben Gesicht des Weihnachtsmannes auf. Der Wichteljunge flüsterte ehrfürchtig: „Du weißt also doch, dass es uns gibt.“

Der Weihnachtsmann sagte laut: „Natürlich!“ Dann zwinkerte er der Wichtelmama zu, beugte sich nahe zu den Freunden und flüsterte: „Ich verrate euch ein Geheimnis: In dieser einen Nacht im Jahr müssen die Geschenke in der ganzen weiten Welt verteilt werden. Das ist ganz schön viel. Deshalb helfen mir die Familien der Kinder beim Verschenken der am Nordpol von den Elfen gemachten Spielzeuge.“ Niklas riss überrascht die Augen auf. „Die Spielzeuge kommen wirklich vom Nordpol?“, fragte er lieber noch einmal nach. Der Weihnachtsmann nickte kräftig. „Und ob. Einige liefern wir sogar schon in der Adventszeit zu den Familien, damit sie auch pünktlich am Weihnachtsabend unter dem Baum liegen.“

„Ach so ist das…“, murmelte Niklas. Der Weihnachtsmann lachte schallend und richtete sich wieder auf. Dann griff er in seine Manteltasche und holte drei Anstecknadeln in Form eines Geschenkes heraus. „Bevor ich wieder an den Nordpol fliege, habe ich noch eine wichtige Aufgabe für euch!“, verkündete er gewichtig, während er die Abzeichen in die offenen Hände der Freunde fallen ließ. „Steckt sie euch nur an! Denn ab heute seit ihr offiziell meine Wünschesammler für die Wesen im Wichtelwald! Schreibt sie auf eine Liste und schickt diese an die Weihnachtselfenwerkstatt am Nordpol.“ Niklas, Milla und Viola zögerten nicht, und hefteten sich die Abzeichen an die stolz geschwellte Brust. Als sie wieder aufblickten, war der Weihnachtsmann verschwunden.

Doch schon erklang das helle Schellen der Schlittenglocken. HO HO HO Der Weihnachtsmann drehte noch einmal eine Runde über dem Wichtelhaus und rief ihnen zu: „Aber schickt den Brief rechtzeitig ab! Das nächste Weihnachtsfest kommt schon bald!“

Mit wild klopfenden Herzen sahen Niklas, Milla und Viola dem Weihnachtsschlitten hinterher. Nachdem der letzte Glitzerfunke unter den Hufen der Rentiere verglommen war, hatte Viola schon wieder eine neue Idee. Darüber begeistert, klatschte sie in die Händchen. „Wie wäre es, wenn wir den Weihnachtselfen auch eine Freude bereiten, und zu der Liste noch Kunstwerke von Niklas mit etwas Feenglitzerstaub und viele kleine rote Strickmützen, von dir Milla, dazu packen?“ Das Moosweiblein blickte erst etwas zweifelnd auf ihre mit kleinen Pflänzchen bewachsenen Hände, denn bestimmt gab es am Nordpol jeeede Menge Elfen, denen sie eine Mütze stricken sollte, aber dann nickte sie einmal kräftig. „So machen wir es!“, beschloss Milla, kehrte ihren Freunden den Rücken zu und stapfte in Richtung Wichtelhaus. Bevor das Moosweiblein den Fuß auf die erste hölzerne Stufe setzte, drehte sie sich noch einmal um. „Nun beeilt euch doch! Wir haben schließlich jede Menge zu tun!“ Niklas und Viola lachten. „Wir kommen ja schon!“, riefen sie und rannten auf ein neues Weihnachtsabenteuer zu.

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